„Die postalische Vorsehung hatte unsern Landbriefträger im Gegensatz zu seinen städtischen Kollegen mit einem unscheinbaren, dunkelfarbigen Röcklein bekleidet. In den heißen Sommermonaten wird er damit, zumal wenn er neben der schweren Landbriefträgertasche auch noch mit einer hübschen Ladung von Paketen belastet war, gehörig geschwitzt haben. Aber er war ein unverdrossener Bote, der bei jeder Unbill des Wetters ohne Murren seine vier Meilen (= 30 Kilometer) ablief. Alle Dofbewohner hatten den gefälligen Mann gern. Auf dem Rittergute fand er in der ‚Leutestube‘ sein Mittagbrot bereit und im Pfarrhause sorgte die gute Frau Pastorin für ein paar Täßchen Kaffee. Das war besser als die mancherlei ‚Schnäpschen‘, die ihm hier und da als Zeichen der Erkenntlichkeit aufgenötigt wurden.
Denn der Landbriefträger, der damals Jahr aus Jahr ein dieselben Ortschaften zu belaufen hatte, während heutzutage praktischerweise periodisch mit den bestellenden Boten gewechselt wird, war der postalische Vertrauensmann des ganzen Dorfes bis in die ‚höchsten Kreise‘ hinein. - Das feingekleidete Fräulein auf unserem Bildchen, das den Landboten unterwegs abgelauert hat und ängstlich nach seinen Briefen späht, ist gewiß das Töchterlein des Herrn Rittergutsbesitzers, das eine heimliche Liebeskorrespondenz führt. Der höchste Festtag des Landbriefträgers war die Kirmes in dem großen Kirchdorf. Am Morgen steckte der vorsichtige Mann zwei blaue Schnuptücher zu sich, um die reichlichen Kuchenspenden einzubinden. Bei Regenwetter hatte freilich diese Art des Transportes ihre Schattenseiten ...“ (Fortsetzung folgt)